Mich umgibt ein Chaos. Wahllos aufgeschlagene Notizbücher, Mappen mit gesammelten Gedichten darin, ausgedruckte Blogeinträge, unbeschriebenes Papier, aus eben erwähnten Notizbüchern entfernt. Fünf verschiedene Stifte kommen auch dazu, Briefumschläge, Fotos, Postkarten und CDs, wegen der Booklets. Ich kann mich grade davon abhalten, den Universal Songtext herauszureißen, da wandern meine Gedanken zu den Büchern. Seit knapp drei Stunden befinde ich mich in einer Art Wahn; beschreibe Seite um Seite, auf der Suche nach Worten. Jetzt, nach fast acht Jahren, muss ich doch endlich ausdrücken können, welche Bedeutung sie für mich hat. Pride And Prejudice nehme ich in die Hand, den Wolkenatlas,
dann: "Ich vermisse Dich noch mehr, als ich mir hätte vorstellen können, und ich war darauf vorbereitet, Dich sehr zu vermissen. Also ist dieser Brief eigentlich nur ein Schmerzensschrei.
Es ist unglaublich, wie notwendig Du mir geworden bist." Neinneinnein, ich kann nicht damit anfangen, Seiten aus Büchern zu trennen. Aber ich kann nicht aufhören; ich muss nur noch eine Karte kaufen, und dann - Du willst ihr gar keine Freude machen sagt eine Stimme in mir. Du willst sie an dich binden, weil du - shit, ist das etwa die Wahrheit? Weil ich nämlich - was? Sie überall finde, egal an welchen Ort ich gehe? Und der Meinung bin, dass das umgekehrt auch endlich mal der Fall sein müsste? So als könnte ich dafür sorgen, dass sie meine Gefühle erwidert, indem ich ihr einen Text schicke, den ich vor ein paar Monaten mal geschrieben habe, mit ihr in meinem Kopf. Ist das etwa der Gedanke dahinter; der Gedanke, der dafür gesorgt hat, dass mein Wohnzimmer aussieht wie ein schlecht sortiertes Schreibwarengeschäft? Ich wollte ihr etwas schenken, das sich nicht mit Geld kaufen lässt, also habe ich versucht, all die Zeilen zu sammeln, in die ich mein Herz gesetzt habe. Und nach einiger Zeit hat das wohl leicht verzweifelte Züge angenommen. Dabei bin ich nicht mal betrunken - ich habe keinen Alkohol angerührt seit einer Woche. Muss ich wohl auch nicht, um mich in Rauschzustände zu versetzen. Auch wenn ich keine Ahnung habe, welche Art von Absturz auf diesen folgen wird.
cause i've been fast asleep, standing still in a stampede. i'm breaking my back, but i'm still sinking like a stone
Sonntag, 27. November 2022
i see you // you're everywhere i go and in everything i do
grace and lies locked the door from the other side
Hör mal auf mit dem Trinken sagt Cheza. Und leg dich ins Bett. Also, zum Schlafen. Sehr spezifisch, der letzte Satz. Zu dem Zeitpunkt des Anrufs liege ich nämlich auch im Bett, neben mir auf dem Nachttisch der dritte Wodka Lemon des Nachmittags, und alles dreht sich. Sie hat nicht viel Zeit, ich habe eine Lücke gefunden zwischen Arbeit und ... Ichweißnichtgenauwas. Jedenfalls fehlt mir aufgrund des Alkoholpegels irgendeine Art Filter, und ich rede wie ein Wasserfall. Versuche ihre Antworten festzuhalten, in dem Wissen, dass ich mich an dieses Gespräch nicht mehr gut werde erinnern können. (Schreibpause, um das erste Mal an diesem Tag etwas Richtiges zu essen. Es ist kurz nach 18 Uhr. Ich möchte das unkommentiert lassen.) Aber weiter im Text: als wir dann auflegen sehe ich auf meinem Handy die Benachrichtigung über das nächste Konzert von Antimatter - Ende nächster Woche, wie ein Zeichen. Denn zum Zeitpunkt des letzten Konzerts war ich in einer ähnlichen Verfassung; in einem ähnlichen Loch, und wenn ich im April da raus klettern konnte, dann kann ich nun auch. (Also höre ich mit dem Trinken
Ich höre mit dem Trinken auf, klar, kein Ding, so als sei das das Einfachste auf der Welt. So als hätte ich den kompletten Dienstag über nicht das überwältigende Verlangen nach Alkohol verspürt.
Ich hab mit dem Trinken aufgehört. Für drei Tage. Aber heute ist ja Freitag, und gegen einen Drink nach Feierabend gibt's doch eigentlich nichts einzuwenden? Außer wenn Feierabend halt um 12 Uhr ist, aber naja, es muss ja nicht wieder so sehr aus dem Ruder laufen wie Anfang der Woche. Also halte ich mich zurück; und ein paar Stunden später signalisiert mein Körper mir deutlich: Lass mal gut sein mit dem Wodka. Ja. Okay. Ich bin sowieso zu erschöpft um nochmal aufzustehen und in die Küche zu gehen glaube ich, genauso wie am Mittwochabend, als ich eingeschlafen bin um 21:30 Uhr und es vorher nicht mal mehr geschafft habe, die Lichterketten auszuschalten. Ein klein wenig habe ich Angst vor den nächsten beiden Tagen, wenn am Wochenende die Struktur fehlt; ich habe mich vor ein paar Wochen erst aus so einem Sumpf raus gearbeitet, ich möchte nicht schon wieder in die nächste Krise rutschen. Ob das die Winterdepressionen sind, die langsam anklopfen? Auf die könnte ich gut verzichten dieses Jahr.
And now there's not much else there
Grace and lies in all
How long can you hide?
How long can you hide?
How long
Antimatter - Leaving Eden
Freitag, 25. November 2022
stracciatella.
ich schwöre, chez, ich hätte das wort nicht verwendet, wenn ich es nicht aus deinem mund zuerst gehört hätte. (schon vor ein paar jahren, und nicht auf mich bezogen; aber ich bin froh, dass du es gesagt hast. rückblickend, natürlich, in der situation hab ich's gehasst, dass es um das schokoeis-mädchen ging, und nicht um mich.) ich hätte es sonst nicht verwendet; nun habe ich es auch mit einer einschränkung versehen, "ein klein wenig", "ein klein wenig, könnte man sagen" und dann hab ich das ausgesprochen, und sie fängt plötzlich an zu lächeln, als sie versteht? sie versteht das einfach?! das ist noch nie zuvor passiert - und nicht nur das, sie sagt "so jemanden habe ich auch. meine heißt [name]. und deine?" und ich habe nicht gezögert; nicht einen sekundenbruchteil habe ich - und das ist sonst immer passiert; noch nie habe ich jemandem deinen namen genannt. sie findet ihn schön; sie findet das schön hat sie gesagt, und ich musste auch lächeln, als ich verstanden habe, dass sie versteht, und ich kann kaum noch damit aufhören. ich muss dich (dort) nicht verstecken; ich kann jetzt reden über dich, und werde von ihr nicht dafür verurteilt - sie hat sogar gefragt, ob wir uns [...] haben, und ich hab ja gesagt, und das ändert für sie nichts? sie findet das einfach in ordnung?! ich bin noch immer ganz verblüfft, weißt du, und eigentlich wollte ich ihr sagen, dass mir das gespräch richtig gut getan hat, aber ich habe mich nicht getraut. so wie ich eigentlich erst gar nicht über dich reden wollte, aber sonst hätte sie sich nur sorgen gemacht, und das konnte ich nicht zulassen. weil sie ist ein kleines bisschen viel zu gut zu mir. genauso wie du. womit hab ich euch beide bloß verdient?
Montag, 14. November 2022
traced in constellations
Samstag
Nächster Tag, weiter im Text, Goldfäden im Kleid. Overdressed as always. Ab einem gewissen Alkoholpegel geht auch die Pflichtveranstaltung klar. Zuhause reden wir dann noch über eine Stunde. Dabei reden wir sonst nie. Erzähl mir davon sagt er und zum ersten Mal seit Jahren habe ich wieder das Gefühl, dass er sich für mein Leben interessiert. Dass er nicht wütend auf mich ist aus irgendeinem mir nicht begreiflichen Grund. Es fühlt sich jetzt weniger weg genommen an, obwohl ein Gespräch ja nichts an diesen Umständen ändert.
Donnerstag, 10. November 2022
Chapter 35: Dead Letters
"Ich bin wütend seit Tagen."
"Und das macht mich wütend, weil."
"Ich merke wie die Wut allmählich in mir hoch kocht."
"Ja, ich bin wütend, so als könnte sie etwas dafür, dass."
"Und der Gedanke daran macht mich so wütend, dass."
"Mittlerweile werde ich wütend wenn ich daran denke."
Das mal so aus dem letzten halben Jahr. Und nichts davon habe ich Dir jemals ins Gesicht gesagt. Ebenso wenig wie das hier: es fühlt sich vorbei an seit dem letzten Mal. Manchmal nur ein klein wenig. Und vorhin am Telefon dann ein wenig mehr. Deswegen sagte ich zu Dir, der Anruf sei ein Fehler gewesen. Weil ich doch gerne noch ein bisschen länger die Augen vor den Tatsachen verschließen möchte. Ich hab einfach nicht gedacht, dass das mit dem Gehenlassen auf diese Art und Weise geschehen würde. Vielleicht war ich ein wenig naiv; hab gedacht ich wache auf eines Tages und stelle fest: Es ist so weit. Stattdessen passiert es schleichend, so als würdest Du mir aus den Händen gleiten. Und ich verspüre nicht den Impuls, Dich festzuhalten, zumindest die meiste Zeit nicht. Wir wissen ja beide um meine Ambivalenz. Das ist es, was es für mich so anstrengend macht, und heute habe ich Dich halt mit reingezogen.
Sonntag, 6. November 2022
come clarity
Dieses Mal wird mehr als ein Entwurf daraus. Dieses Mal kann ich sagen: es gibt mich noch. Drei Wochen Stille ist zwar nicht besorgniserregend lang, aber ... viel für meine Verhältnisse. Und wenn man bedenkt, dass ich noch länger nicht über sie geschrieben habe, sondern erst über meine Oma, dann über Rell, dann Songlyrics, und naja, den letzten Post habt ihr ja alle selbst gelesen. So viel Wut, wie da drin steckt, das ist doch was Gutes, habe ich mir eingeredet, da sind noch Gefühle, es ist alles beim Alten. Aber das stimmt nicht. Nichts ist mehr wie noch vor 6 oder 7 Wochen. Bloß wollte ich das erst nicht sehen. Also habe ich geschwiegen; gleichzeitig immer auf der Suche nach Worten - anderen Worten, damit ich die, die wahr sind, nicht aussprechen muss. Aber es gibt keine anderen; gibt nur diese fünf. Ich kann zwar ein "Ich glaube" oder "Ich vermute" davor setzen, aber schon das wäre eine Lüge. Ich glaube, vermute, befürchte nicht. Ich weiß es. Ich weiß nur nicht, was das bedeutet. Ob das etwas bedeutet, ob es Veränderungen mit sich bringt. Oder ob wir weitermachen wie die letzten Jahre - sehr deutlich sträubt sich alles in mir gegen diesen Gedanken. Das ist eine Momentaufnahme, denke ich. Weil ich die Wahrheit nicht sehen will. Ich hab mir zwar Klarheit(en) gewünscht. Aber halt nicht diese.
Sure, it would change my perspective
I'm certain I would change today
I'm certain it would change our ways
Would things fall into place?
I want you to lead me
Take me somewhere
Don't want to live in a dream one more day
In Flames - Come Clarity
Ich kann keinen Punkt machen an dieser Stelle. Dessen bin ich mir deutlich bewusst. Es wird weiter gehen, irgendwie - für uns, sie und mich, meine ich. (Ich schreibe hier gerade nicht über das Schreiben. Auch wenn es auf dem Blog in der nächsten Zeit vielleicht Veränderungen geben wird. Davon abgesehen werde ich in diesem Fall definitiv weitermachen wie die letzten Jahre. Also je nach Lust, Laune, und Mitteilungsbedürfnis.)
I want you to lead me denke ich, in dem Bewusstsein darüber, dass ich seit 3 Jahren diejenige bin, die die Entscheidungen trifft. Ich hab das so nicht gewollt, aber Veränderungen liegen jetzt jenseits von Grenzen. Take me somewhere - als könnte es jemals einen anderen Ort geben als unser Gefängnis. Wenn ich frei sein will, dann geht das nur alleine, also entscheide ich mich für folgende Möglichkeit: Ich. Wache. Auf. Langsam, aber sicher.
Don't want to live in a dream one more day.