Montag, 14. November 2022

traced in constellations

Diese Einleitung schreibe ich montags, am Ende. Ja, ich werde diesen Post gleich ins Internet stellen. Das hier sollte eigentlich ein Versuch sein, mich an die positiven Dinge zu erinnern, die in den letzten zwei Tage auch passiert sind. In der Hoffnung, dass es mir dadurch weniger schlecht geht. Hat aber nicht funktioniert. Und nun bin ich wieder zuhause von meinem Wochenendtrip, sollte eigentlich auf der Arbeit sein, weil's mir aber so geht wie's mir geht im Moment, habe ich mich heute Morgen krank gemeldet. Und damit hier kein Blut fließt, fließt halt gerade Alkohol. Kann man so machen. Sollte man vielleicht nicht. Da bin ich einfach mal mit Anlauf direkt in den Abgrund. Mal sehen, wann ich dieses Mal unten ankomme.

Samstag
In der Zoohandlung voller Faszination die Kaninchen beobachten. Sich vorstellen, eines dieser weichen, flauschigen Wesen auf dem Arm zu halten, wie damals Fee. Fast eine Keksdose mit einem dämlichen lustigen Elch darauf kaufen. Sich über den Sonnenschein freuen. An sie denken. Erdnusseis essen, das einzige, das momentan vom Weinen abhält. Unter "Sternen" schlafen. Nicht an den traurigen Zwilling im Briefumschlag denken. An sie denken; an sie denken, sie erinnert sich. Es hilft nicht. Es hilft nicht, und das ist die Wahrheit. Das hätte nie passieren dürfen. Ich bin hier noch immer sicher. Aber es gehört nicht mehr mir. Man hat es mir weg genommen; wieso wird mir immer alles (an Sicherheit) genommen?

(Das hier ist eine Erdnusseis-Pause. Ich bin in der Stimmung dazu, ihr ein Gedicht zu schreiben. Ich bin in der Stimmung dazu, einen Ozean zu weinen. Nachdem ich dieses verdammte Haus dann auch angezündet habe.)

Noch ein neuer Versuch: einen Spaziergang machen. Sich gedanklich auf die Schaukel beim Spielplatz setzen. (Das letzte Mal schaukeln ist nur ein paar Wochen her. War aber nicht auf einem Spielplatz, sondern in der Praxis. Das ist ein völlig anderes Feeling.) Weitergehen und sich erinnern: sie auf einem Spaziergang treffen. Es sieht so aus, als sei sie direkt aus der untergehenden Sonne gestiegen. Wir kennen uns gerade 6 Monate. Und gehen dann für eine ähnlich lange Zeit erstmal wieder getrennte Wege. 

Abwege jetzt; die Stunden zählen: etwa 24 vergangen, knapp 28 stehen noch aus. Und danach endet die Panik nicht; die schreckliche Vorstellung vom nächsten Mal lässt mich jetzt schon nicht mehr los. Aber ich muss ja, es muss sich doch eine Lösung finden lassen, eine, bei der ich nicht durch die halbe Weltgeschichte dissoziiere. Aber Trauma existiert in diesem Haus nicht. Ich meine: ich muss so tun, als sei ich in Ordnung, weil es keine Alternative gibt. Ich will hier einfach nur weg. Ich würde mich am liebsten in den nächsten Zug setzen, und noch lieber möchte ich zu ihr, aber das ist keine reelle Möglichkeit im Moment. In 6, 7, 8 Wochen vielleicht. 5, frühstens. Das ist gar nicht mehr so lange hin. Aber der Zustand hier ... ist unveränderbar. Und ich finde keine klaren Worte dafür. Ich finde keine Worte, die ich äußern kann einer anderen Person gegenüber. 

Nochmal das Steuer herumreißen: Schätze in der "kleinen" Post Rock Playlist finden. Darkfield, Maybeshewill, sleepmakeswaves. Ihr gefällt der Name. Ihr würde bestimmt auch gefallen, wenn ich ihr bei der nächsten Gelegenheit erzähle, wie gut es mir ging, vor dieser ... Notfallsituation. (Das müsste mich gar nicht so sehr betreffen; bzw. verurteile ich mich dafür, dass es mir im Moment so schlecht geht. Aber sie versteht das. Sie versteht, was das bedeutet.) Jetzt gleich noch irgendeine Art von Kraft (?) zusammen sammeln für die Pflichtveranstaltung; fast schon vergessen, aus welchem Grund ich hier bin. Kosten/Nutzen vorher schon kririsch, aber jetzt? Ist es das noch wert? Stecke in dem Kleid, das ich getragen habe, als ich sie das letzte Mal gesehen habe, und das macht es nicht unbedingt besser. So viel zu Steuer herumreißen


Sonntag
Nächster Tag, weiter im Text, Goldfäden im Kleid. Overdressed as always. Ab einem gewissen Alkoholpegel geht auch die Pflichtveranstaltung klar. Zuhause reden wir dann noch über eine Stunde. Dabei reden wir sonst nie. Erzähl mir davon sagt er und zum ersten Mal seit Jahren habe ich wieder das Gefühl, dass er sich für mein Leben interessiert. Dass er nicht wütend auf mich ist aus irgendeinem mir nicht begreiflichen Grund. Es fühlt sich jetzt weniger weg genommen an, obwohl ein Gespräch ja nichts an diesen Umständen ändert.

(Die Fotos, ich habe die Fotos vergessen; dass ich schon das erste Bild gesehen habe und dachte: Ich packe das nicht. Tue ich auch nicht, diese Geschichte wird maximal verdrängt. Diese unglaubliche Angst davor, dass am Ende nichts mehr übrig bleibt von ihr. Dass jede auch noch so kleine Spur ihrer Existenz irgendwann ausgelöscht sein wird. Ich weiß nicht, wie ich das ertragen soll.)

Minuten jetzt nur noch. Eine Lösung findet sich dieses Wochenende sicher nicht mehr. Denke, dass ich sie morgen dringend nochmal anrufen muss, um all die Dinge zu sagen, die ich am Donnerstag nicht aussprechen konnte, plus die, die in den drei Tagen seitdem noch dazu gekommen sind. Diese Bilder. Alles weiß und auf Hochglanz poliert. Keine Spuren einer Seele. Keine Spur mehr von i h r; nur noch ein Stein mit ihrem Namen drauf. Ich will bloß nach Hause und weinen, aber ich weiß nicht länger, wo dieser Ort sich befindet. (Wo dieser Ort sich befindet, wenn sie es nicht (mehr) ist. Ich. Weiß. Es. Nicht. Länger. Und das tut unbeschreiblich weh. Alles tut weh seit letztem Freitag.

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