Sonntag, 27. November 2022

i see you // you're everywhere i go and in everything i do

Mich umgibt ein Chaos. Wahllos aufgeschlagene Notizbücher, Mappen mit gesammelten Gedichten darin, ausgedruckte Blogeinträge, unbeschriebenes Papier, aus eben erwähnten Notizbüchern entfernt. Fünf verschiedene Stifte kommen auch dazu, Briefumschläge, Fotos, Postkarten und CDs, wegen der Booklets. Ich kann mich grade davon abhalten, den Universal Songtext herauszureißen, da wandern meine Gedanken zu den Büchern. Seit knapp drei Stunden befinde ich mich in einer Art Wahn; beschreibe Seite um Seite, auf der Suche nach Worten. Jetzt, nach fast acht Jahren, muss ich doch endlich ausdrücken können, welche Bedeutung sie für mich hat. Pride And Prejudice nehme ich in die Hand, den Wolkenatlas,
dann: "Ich vermisse Dich noch mehr, als ich mir hätte vorstellen können, und ich war darauf vorbereitet, Dich sehr zu vermissen. Also ist dieser Brief eigentlich nur ein Schmerzensschrei.
Es ist unglaublich, wie notwendig Du mir geworden bist." Neinneinnein, ich kann nicht damit anfangen, Seiten aus Büchern zu trennen. Aber ich kann nicht aufhören; ich muss nur noch eine Karte kaufen, und dann - Du willst ihr gar keine Freude machen sagt eine Stimme in mir. Du willst sie an dich binden, weil du - shit, ist das etwa die Wahrheit? Weil ich nämlich - was? Sie überall finde, egal an welchen Ort ich gehe? Und der Meinung bin, dass das umgekehrt auch endlich mal der Fall sein müsste? So als könnte ich dafür sorgen, dass sie meine Gefühle erwidert, indem ich ihr einen Text schicke, den ich vor ein paar Monaten mal geschrieben habe, mit ihr in meinem Kopf. Ist das etwa der Gedanke dahinter; der Gedanke, der dafür gesorgt hat, dass mein Wohnzimmer aussieht wie ein schlecht sortiertes Schreibwarengeschäft? Ich wollte ihr etwas schenken, das sich nicht mit Geld kaufen lässt, also habe ich versucht, all die Zeilen zu sammeln, in die ich mein Herz gesetzt habe. Und nach einiger Zeit hat das wohl leicht verzweifelte Züge angenommen. Dabei bin ich nicht mal betrunken - ich habe keinen Alkohol angerührt seit einer Woche. Muss ich wohl auch nicht, um mich in Rauschzustände zu versetzen. Auch wenn ich keine Ahnung habe, welche Art von Absturz auf diesen folgen wird.

grace and lies locked the door from the other side

[Triggerwarnung bzgl. Alkohol, I guess?]

Montag, 14.11.22
Hör mal auf mit dem Trinken sagt Cheza. Und leg dich ins Bett. Also, zum Schlafen. Sehr spezifisch, der letzte Satz. Zu dem Zeitpunkt des Anrufs liege ich nämlich auch im Bett, neben mir auf dem Nachttisch der dritte Wodka Lemon des Nachmittags, und alles dreht sich. Sie hat nicht viel Zeit, ich habe eine Lücke gefunden zwischen Arbeit und ... Ichweißnichtgenauwas. Jedenfalls fehlt mir aufgrund des Alkoholpegels irgendeine Art Filter, und ich rede wie ein Wasserfall. Versuche ihre Antworten festzuhalten, in dem Wissen, dass ich mich an dieses Gespräch nicht mehr gut werde erinnern können. (Schreibpause, um das erste Mal an diesem Tag etwas Richtiges zu essen. Es ist kurz nach 18 Uhr. Ich möchte das unkommentiert lassen.) Aber weiter im Text: als wir dann auflegen sehe ich auf meinem Handy die Benachrichtigung über das nächste Konzert von Antimatter - Ende nächster Woche, wie ein Zeichen. Denn zum Zeitpunkt des letzten Konzerts war ich in einer ähnlichen Verfassung; in einem ähnlichen Loch, und wenn ich im April da raus klettern konnte, dann kann ich nun auch. (Also höre ich mit dem Trinken für heute auf. Und lege mich ins Bett.)

Mittwoch, 16.11.22
Ich höre mit dem Trinken auf, klar, kein Ding, so als sei das das Einfachste auf der Welt. So als hätte ich den kompletten Dienstag über nicht das überwältigende Verlangen nach Alkohol verspürt. Ich bin eigentlich nicht so. So als wäre ich nicht den ganzen Tag über unterwegs gewesen und nach der Arbeit noch zu einer Freundin gefahren, bloß um nicht alleine in meiner Wohnung zu sein. Eigentlich bin ich nicht so, echt nicht. Heute dann das Gespräch mit Rell - sie scheint nicht sonderlich erfreut angesichts meiner ... fehlenden Initiative, mir Hilfe zu holen, würde ich mal sagen. Noch weniger erfreut sein wird sie nächste Woche, wenn sie erfährt, dass unser angedachter Plan nicht funktionieren wird. (Ein wenig hoffe ich, dass sie mich dann in Ruhe lässt. Schließlich geht's mir schon wieder besser. Ich brauche gar keine Hilfe.)

Freitag, 18.11.22
Ich hab mit dem Trinken aufgehört. Für drei Tage. Aber heute ist ja Freitag, und gegen einen Drink nach Feierabend gibt's doch eigentlich nichts einzuwenden? Außer wenn Feierabend halt um 12 Uhr ist, aber naja, es muss ja nicht wieder so sehr aus dem Ruder laufen wie Anfang der Woche. Also halte ich mich zurück; und ein paar Stunden später signalisiert mein Körper mir deutlich: Lass mal gut sein mit dem Wodka. Ja. Okay. Ich bin sowieso zu erschöpft um nochmal aufzustehen und in die Küche zu gehen glaube ich, genauso wie am Mittwochabend, als ich eingeschlafen bin um 21:30 Uhr und es vorher nicht mal mehr geschafft habe, die Lichterketten auszuschalten. Ein klein wenig habe ich Angst vor den nächsten beiden Tagen, wenn am Wochenende die Struktur fehlt; ich habe mich vor ein paar Wochen erst aus so einem Sumpf raus gearbeitet, ich möchte nicht schon wieder in die nächste Krise rutschen. Ob das die Winterdepressionen sind, die langsam anklopfen? Auf die könnte ich gut verzichten dieses Jahr.

Sonntag, 20.11.22
Es ist 14 Uhr, ich liege noch immer im Bett. Ich wollte schon vor Stunden aufstehen, Yoga machen und frühstücken zu Mittag essen. Ich gehe fest davon aus, dass das im Laufe des Tages auch noch geschieht - nur halt im Moment nicht. Im Moment bin ich zu sehr mit Vermissen beschäftigt, voller Naivität, so als hätte sich seit September nichts verändert. (Aber darüber kann ich nicht schreiben. Ich kann einfach nicht.) Drei Stunden später schütte ich mir Wodka mit Blutorangensaft in den Hals, um den Schrei zu ertränken, der in meiner Kehle sitzt. Noch knapp 2 Wochen bis zum (zweit? dritt?) schwierigsten Tag im Jahr, und ich bin jetzt schon mit Zusammenbrechen beschäftigt. Selbst danach bleibt immer noch das Problem, das in der Heimatstadt auf mich wartet. Die nächsten 6 Wochen werden wahrscheinlich ein verdammter Struggle. Großartig, ich hab echt richtig Bock.

Dienstag, 22.11.22
Ich prügele mich so durch die Tage. Morgen spreche ich nochmal mit Rell und muss irgendwie Worte finden - fck, ich kann nicht mal Worte dafür finden, wofür ich Worte finden muss?! Also, das wird spannend. Dann treffe ich nach Feierabend noch auf neue, unbekannte Menschen. Sehe ich mich nicht so ganz, aber ich wollte Deltas Einladung nicht ablehnen. Und eigentlich will ich ja auch wollen, und nicht immer nur alleine in meiner Wohnung vereinsamen. Leider hat mein Energielevel da auch noch ein Mitspracherecht. Naja, mal sehen.

Donnerstag, 24.11.22
But grace and lies locked the door from the other side
And now there's not much else there
Grace and lies in all
How long can you hide?
How long can you hide?
How long
Antimatter - Leaving Eden

Samstag, 26.11.22
Meine kurzzeitige Obsession mit Antimatter scheint überwunden zu sein; ich liege im Bett, ziehe mir die Decke über den Kopf und höre zum elften, zwölften, dreizehnten Mal Cities Of Asylum. Der Gedanke an all die Dinge, die erledigt werden wollen, überfordert mich massiv. Es sind streng genommen nur Kleinigkeiten, aber ich habe keine Energie, um auch nur die geringste Anforderung zu bewältigen. Gegen 15 Uhr ziehe ich dann vom Bett auf das Sofa um, um mich am Laptop zumindest um die Sachen zu kümmern, für die ich das Haus nicht verlassen muss. In der Theorie ein guter Gedanke, doch eine bleischwere Erschöpfung liegt über mir wie eine Decke. Die Aussicht darauf, nach dem E-Mails schreiben etc. vom Sofa wieder aufzustehen, um weißgottwas zu erledigen, bringt mich fast zum Weinen. Dabei will ich mir doch nur etwas zu essen machen und meine Haare kämmen. Und dann Zähne putzen, ein Paket zurückschicken, ins Einkaufscenter fahren, und und und. Ist das zu viel verlangt?

Es ist zu viel verlangt. Ich erstelle eine to-do-Liste mit knapp 15 Punkten, markiere mir davon 6, und schaffe 3 1/2. Mir geht's besser ab dem Moment, in dem ich anfange, die Umstände zu akzeptieren. Erneutes winterliches Energiedefizit? Ist jetzt eben so; und war ja auch zu erwarten, wenn man die letzten Jahren betrachtet. Und solange es nicht zu einem erneuten winterlichen vom-Balkon-springen-wollen kommt, kann ich mit meiner Lage (sehr) gut umgehen. Es ist so viel besser als die Jahre zuvor. Nun heißt es Daumen drücken, dass das in den nächsten Wochen auch so bleibt.

Freitag, 25. November 2022

stracciatella.

ich schwöre, chez, ich hätte das wort nicht verwendet, wenn ich es nicht aus deinem mund zuerst gehört hätte. (schon vor ein paar jahren, und nicht auf mich bezogen; aber ich bin froh, dass du es gesagt hast. rückblickend, natürlich, in der situation hab ich's gehasst, dass es um das schokoeis-mädchen ging, und nicht um mich.) ich hätte es sonst nicht verwendet; nun habe ich es auch mit einer einschränkung versehen, "ein klein wenig", "ein klein wenig, könnte man sagen" und dann hab ich das ausgesprochen, und sie fängt plötzlich an zu lächeln, als sie versteht? sie versteht das einfach?! das ist noch nie zuvor passiert - und nicht nur das, sie sagt "so jemanden habe ich auch. meine heißt [name]. und deine?" und ich habe nicht gezögert; nicht einen sekundenbruchteil habe ich - und das ist sonst immer passiert; noch nie habe ich jemandem deinen namen genannt. sie findet ihn schön; sie findet das schön hat sie gesagt, und ich musste auch lächeln, als ich verstanden habe, dass sie versteht, und ich kann kaum noch damit aufhören. ich muss dich (dort) nicht verstecken; ich kann jetzt reden über dich, und werde von ihr nicht dafür verurteilt - sie hat sogar gefragt, ob wir uns [...] haben, und ich hab ja gesagt, und das ändert für sie nichts? sie findet das einfach in ordnung?! ich bin noch immer ganz verblüfft, weißt du, und eigentlich wollte ich ihr sagen, dass mir das gespräch richtig gut getan hat, aber ich habe mich nicht getraut. so wie ich eigentlich erst gar nicht über dich reden wollte, aber sonst hätte sie sich nur sorgen gemacht, und das konnte ich nicht zulassen. weil sie ist ein kleines bisschen viel zu gut zu mir. genauso wie du. womit hab ich euch beide bloß verdient?

Montag, 14. November 2022

traced in constellations

Diese Einleitung schreibe ich montags, am Ende. Ja, ich werde diesen Post gleich ins Internet stellen. Das hier sollte eigentlich ein Versuch sein, mich an die positiven Dinge zu erinnern, die in den letzten zwei Tage auch passiert sind. In der Hoffnung, dass es mir dadurch weniger schlecht geht. Hat aber nicht funktioniert. Und nun bin ich wieder zuhause von meinem Wochenendtrip, sollte eigentlich auf der Arbeit sein, weil's mir aber so geht wie's mir geht im Moment, habe ich mich heute Morgen krank gemeldet. Und damit hier kein Blut fließt, fließt halt gerade Alkohol. Kann man so machen. Sollte man vielleicht nicht. Da bin ich einfach mal mit Anlauf direkt in den Abgrund. Mal sehen, wann ich dieses Mal unten ankomme.

Samstag
In der Zoohandlung voller Faszination die Kaninchen beobachten. Sich vorstellen, eines dieser weichen, flauschigen Wesen auf dem Arm zu halten, wie damals Fee. Fast eine Keksdose mit einem dämlichen lustigen Elch darauf kaufen. Sich über den Sonnenschein freuen. An sie denken. Erdnusseis essen, das einzige, das momentan vom Weinen abhält. Unter "Sternen" schlafen. Nicht an den traurigen Zwilling im Briefumschlag denken. An sie denken; an sie denken, sie erinnert sich. Es hilft nicht. Es hilft nicht, und das ist die Wahrheit. Das hätte nie passieren dürfen. Ich bin hier noch immer sicher. Aber es gehört nicht mehr mir. Man hat es mir weg genommen; wieso wird mir immer alles (an Sicherheit) genommen?

(Das hier ist eine Erdnusseis-Pause. Ich bin in der Stimmung dazu, ihr ein Gedicht zu schreiben. Ich bin in der Stimmung dazu, einen Ozean zu weinen. Nachdem ich dieses verdammte Haus dann auch angezündet habe.)

Noch ein neuer Versuch: einen Spaziergang machen. Sich gedanklich auf die Schaukel beim Spielplatz setzen. (Das letzte Mal schaukeln ist nur ein paar Wochen her. War aber nicht auf einem Spielplatz, sondern in der Praxis. Das ist ein völlig anderes Feeling.) Weitergehen und sich erinnern: sie auf einem Spaziergang treffen. Es sieht so aus, als sei sie direkt aus der untergehenden Sonne gestiegen. Wir kennen uns gerade 6 Monate. Und gehen dann für eine ähnlich lange Zeit erstmal wieder getrennte Wege. 

Abwege jetzt; die Stunden zählen: etwa 24 vergangen, knapp 28 stehen noch aus. Und danach endet die Panik nicht; die schreckliche Vorstellung vom nächsten Mal lässt mich jetzt schon nicht mehr los. Aber ich muss ja, es muss sich doch eine Lösung finden lassen, eine, bei der ich nicht durch die halbe Weltgeschichte dissoziiere. Aber Trauma existiert in diesem Haus nicht. Ich meine: ich muss so tun, als sei ich in Ordnung, weil es keine Alternative gibt. Ich will hier einfach nur weg. Ich würde mich am liebsten in den nächsten Zug setzen, und noch lieber möchte ich zu ihr, aber das ist keine reelle Möglichkeit im Moment. In 6, 7, 8 Wochen vielleicht. 5, frühstens. Das ist gar nicht mehr so lange hin. Aber der Zustand hier ... ist unveränderbar. Und ich finde keine klaren Worte dafür. Ich finde keine Worte, die ich äußern kann einer anderen Person gegenüber. 

Nochmal das Steuer herumreißen: Schätze in der "kleinen" Post Rock Playlist finden. Darkfield, Maybeshewill, sleepmakeswaves. Ihr gefällt der Name. Ihr würde bestimmt auch gefallen, wenn ich ihr bei der nächsten Gelegenheit erzähle, wie gut es mir ging, vor dieser ... Notfallsituation. (Das müsste mich gar nicht so sehr betreffen; bzw. verurteile ich mich dafür, dass es mir im Moment so schlecht geht. Aber sie versteht das. Sie versteht, was das bedeutet.) Jetzt gleich noch irgendeine Art von Kraft (?) zusammen sammeln für die Pflichtveranstaltung; fast schon vergessen, aus welchem Grund ich hier bin. Kosten/Nutzen vorher schon kririsch, aber jetzt? Ist es das noch wert? Stecke in dem Kleid, das ich getragen habe, als ich sie das letzte Mal gesehen habe, und das macht es nicht unbedingt besser. So viel zu Steuer herumreißen


Sonntag
Nächster Tag, weiter im Text, Goldfäden im Kleid. Overdressed as always. Ab einem gewissen Alkoholpegel geht auch die Pflichtveranstaltung klar. Zuhause reden wir dann noch über eine Stunde. Dabei reden wir sonst nie. Erzähl mir davon sagt er und zum ersten Mal seit Jahren habe ich wieder das Gefühl, dass er sich für mein Leben interessiert. Dass er nicht wütend auf mich ist aus irgendeinem mir nicht begreiflichen Grund. Es fühlt sich jetzt weniger weg genommen an, obwohl ein Gespräch ja nichts an diesen Umständen ändert.

(Die Fotos, ich habe die Fotos vergessen; dass ich schon das erste Bild gesehen habe und dachte: Ich packe das nicht. Tue ich auch nicht, diese Geschichte wird maximal verdrängt. Diese unglaubliche Angst davor, dass am Ende nichts mehr übrig bleibt von ihr. Dass jede auch noch so kleine Spur ihrer Existenz irgendwann ausgelöscht sein wird. Ich weiß nicht, wie ich das ertragen soll.)

Minuten jetzt nur noch. Eine Lösung findet sich dieses Wochenende sicher nicht mehr. Denke, dass ich sie morgen dringend nochmal anrufen muss, um all die Dinge zu sagen, die ich am Donnerstag nicht aussprechen konnte, plus die, die in den drei Tagen seitdem noch dazu gekommen sind. Diese Bilder. Alles weiß und auf Hochglanz poliert. Keine Spuren einer Seele. Keine Spur mehr von i h r; nur noch ein Stein mit ihrem Namen drauf. Ich will bloß nach Hause und weinen, aber ich weiß nicht länger, wo dieser Ort sich befindet. (Wo dieser Ort sich befindet, wenn sie es nicht (mehr) ist. Ich. Weiß. Es. Nicht. Länger. Und das tut unbeschreiblich weh. Alles tut weh seit letztem Freitag.

Donnerstag, 10. November 2022

Chapter 35: Dead Letters

Ob ich wütend bin auf Dich hast Du mich am Telefon heute Nachmittag gefragt. (War das bevor oder nachdem ich Dich minutenlang angeschwiegen bzw. sämtliche meiner Sätze abgebrochen habe? Bevor oder nachdem ich in Tränen ausgebrochen bin? Bevor oder nachdem ich sagte, es sei ein Fehler gewesen, Dich anzurufen? Ich weiß es nicht mehr.) Jedenfalls: ich habe Deine Frage verneint, glaube ich; gleichzeitig habe ich nie aufgehört wütend zu sein seit dem ersten Mal. Wenn ich hier so zurücklese, stolpere ich immer und immer wieder über diese Formulierung. Wenn ich hier so zurücklese scheint es mir, als sei ich nur wirklich i c h gewesen, all die Male in denen ich diese Worte geschrieben habe. Aber das ist eine Momentaufnahme; ich bin so wütend, ich könnte das gesamte Haus in Brand setzen.

"Ich bin wütend seit Tagen."
"Und das macht mich wütend, weil."
"Ich merke wie die Wut allmählich in mir hoch kocht."
"Ja, ich bin wütend, so als könnte sie etwas dafür, dass."
"Und der Gedanke daran macht mich so wütend, dass."
"Mittlerweile werde ich wütend wenn ich daran denke."

Das mal so aus dem letzten halben Jahr. Und nichts davon habe ich Dir jemals ins Gesicht gesagt. Ebenso wenig wie das hier: es fühlt sich vorbei an seit dem letzten Mal. Manchmal nur ein klein wenig. Und vorhin am Telefon dann ein wenig mehr. Deswegen sagte ich zu Dir, der Anruf sei ein Fehler gewesen. Weil ich doch gerne noch ein bisschen länger die Augen vor den Tatsachen verschließen möchte. Ich hab einfach nicht gedacht, dass das mit dem Gehenlassen auf diese Art und Weise geschehen würde. Vielleicht war ich ein wenig naiv; hab gedacht ich wache auf eines Tages und stelle fest: Es ist so weit. Stattdessen passiert es schleichend, so als würdest Du mir aus den Händen gleiten. Und ich verspüre nicht den Impuls, Dich festzuhalten, zumindest die meiste Zeit nicht. Wir wissen ja beide um meine Ambivalenz. Das ist es, was es für mich so anstrengend macht, und heute habe ich Dich halt mit reingezogen. Ich würde mich ja entschuldigen, aber es tut mir überhaupt nicht Leid. Das tut mir Leid. Und das sind die besten Schlussworte, die es heute geben wird, denn es ist gleich 22 Uhr und ich muss meinen Koffer noch packen, für meinen Wochenendtrip in der Heimatstadt. Bei dem ich Dich nicht sehen werde, aus ... Gründen. (Aber ohne Dich macht das aus Heimatstadt einfach nur noch: Stadt. Und das sind doch Schlussworte, in denen etwas mehr an Gefühl steckt.)

Sonntag, 6. November 2022

come clarity

Dieses Mal wird mehr als ein Entwurf daraus. Dieses Mal kann ich sagen: es gibt mich noch. Drei Wochen Stille ist zwar nicht besorgniserregend lang, aber ... viel für meine Verhältnisse. Und wenn man bedenkt, dass ich noch länger nicht über sie geschrieben habe, sondern erst über meine Oma, dann über Rell, dann Songlyrics, und naja, den letzten Post habt ihr ja alle selbst gelesen. So viel Wut, wie da drin steckt, das ist doch was Gutes, habe ich mir eingeredet, da sind noch Gefühle, es ist alles beim Alten. Aber das stimmt nicht. Nichts ist mehr wie noch vor 6 oder 7 Wochen. Bloß wollte ich das erst nicht sehen. Also habe ich geschwiegen; gleichzeitig immer auf der Suche nach Worten - anderen Worten, damit ich die, die wahr sind, nicht aussprechen muss. Aber es gibt keine anderen; gibt nur diese fünf. Ich kann zwar ein "Ich glaube" oder "Ich vermute" davor setzen, aber schon das wäre eine Lüge. Ich glaube, vermute, befürchte nicht. Ich weiß es. Ich weiß nur nicht, was das bedeutet. Ob das etwas bedeutet, ob es Veränderungen mit sich bringt. Oder ob wir weitermachen wie die letzten Jahre - sehr deutlich sträubt sich alles in mir gegen diesen Gedanken. Das ist eine Momentaufnahme, denke ich. Weil ich die Wahrheit nicht sehen will. Ich hab mir zwar Klarheit(en) gewünscht. Aber halt nicht diese.

Sure, it would change my perspective
I'm certain I would change today
I'm certain it would change our ways
Would things fall into place?

I want you to lead me
Take me somewhere
Don't want to live in a dream one more day
In Flames - Come Clarity

Ich kann keinen Punkt machen an dieser Stelle. Dessen bin ich mir deutlich bewusst. Es wird weiter gehen, irgendwie - für uns, sie und mich, meine ich. (Ich schreibe hier gerade nicht über das Schreiben. Auch wenn es auf dem Blog in der nächsten Zeit vielleicht Veränderungen geben wird. Davon abgesehen werde ich in diesem Fall definitiv weitermachen wie die letzten Jahre. Also je nach Lust, Laune, und Mitteilungsbedürfnis.)

I want you to lead me denke ich, in dem Bewusstsein darüber, dass ich seit 3 Jahren diejenige bin, die die Entscheidungen trifft. Ich hab das so nicht gewollt, aber Veränderungen liegen jetzt jenseits von Grenzen. Take me somewhere - als könnte es jemals einen anderen Ort geben als unser Gefängnis. Wenn ich frei sein will, dann geht das nur alleine, also entscheide ich mich für folgende Möglichkeit: Ich. Wache. Auf. Langsam, aber sicher.

Don't want to live in a dream one more day.