Freitag, 16. Dezember 2022

Magnetsturm

"Kannst du mir einen Gefallen tun?" frage ich sie, aber dann verlassen mich die Worte. Ich versuche es so: "Ich dachte ich kann's, aber ich kann's nicht" und halte ihr [das Blatt Papier] hin. Sie zählt 1 und 1 recht schnell zusammen. Ich schreibe das da drauf meint sie, und nimmt mir [den Zettel] aus der Hand. // Ich freue mich jede Woche darauf, dich zu sehen. Jeden Dienstag. Und jeden Mittwoch. Und bald... // Ja, bald gibt es keine Tanz-Tage mehr. Ist die Katze aus dem Haus... // Da sitze ich nun und sehe sie an, mit meinen sehnsuchts-tropfenden Augen. Da sitze ich nun und bete, dass es nur ihr Kleid ist; dass dieser Zauber bei Tageslicht nicht mehr auf ihr liegt. Da sitze ich nun und rede mir ein, dass es einen Unterschied macht, so als sei ich nicht bereits rettungslos verloren. Kleid hin oder her - ich bin ihr... Ich meine, ich würde... // Meinen moralischen Anspruch habe ich geopfert, ohne mit der Wimper zu zucken. So kommt es mir zumindest vor. // Sie öffnet den Mund und ich glaube ihr jedes verdammte Wort. Ich glaube auch, dass sie mir ohne zu zögern ins Gesicht lügen würde. Zumindest habe ich das vor ein paar Monaten noch getan. // "Wenn du gewusst hättest, dass ich so kaputt bin, hätte das einen Unterschied gemacht?" Nein. Und ich höre die Wahrheit in ihrer Stimme, und ich sehe die Wahrheit in ihrem Gesicht, und weiß trotzdem nicht, wie ich ihre Worte glauben soll. Wie kann das in Ordnung sein? Wie kann i c h in Ordnung sein? // Sie war das beste an diesem ganzen Abend. Und wie schön sie ausgesehen hat, als sie - // Es ist wichtig, dass das Gedanken bleiben. Aber wenn das nicht geht... Dann rufst du mich an. // Deine. (Das hätte sie sich auch sparen können.) Deine. (Seit zwei Tagen versuche ich, dieses Wort aus meinem Kopf zu bekommen.) Deine. (Wieso musste sie denn ausgerechnet "d e i n e Cheza" sagen?) (Und wieso musste ich bei der Erwähnung ihres Namens anfangen zu lächeln wie ein Idiot? Denn meine Cheza geht nicht an ihr verdammtes Telefon.) // Ich will sagen, dass ich mich auch freue sie zu sehen, jedes Mal, aber ich bringe den Satz nicht über meine Lippen. Ja, ich freue mich, aber es ist nicht immer einf- // (Ich kann nicht. Es reicht auch. Mit dem Schreiben. Mit dem Chaos. Mit dem Sturm.)

Samstag, 10. Dezember 2022

i was told that i could fly when least expected // cloud connected

[Titel: In Flames - Cloud Connected]

Ich habe das schon so lange gewollt. Aber Du hast es zu verhindern gewusst. Du musstest irgendwann auch gar nichts mehr sagen; ich hatte gelernt, wie ich mich zu verhalten habe, um Dich bloß nicht zu verärgern. Denn wütend warst Du ein anderer Mensch - und ich noch weniger in Sicherheit. Aber Du hast gesagt, Du liebst mich, und ich habe Dir geglaubt. Also habe ich Dir alle Deine "Fehler" verziehen. Ich habe gedacht, dass Du Dich dieses Mal wirklich änderst. Aber dies zu glauben, war mein Fehler. Ich habe auch einen Fehler gemacht, als ich nicht schon im Dezember gegangen bin. 18 Monate hat es noch gedauert, bis ich verstanden hatte, was Liebe n i c h t ist. Und sieben lange Jahre mussten vergehen, bis mir klar wurde: Du hast mir nichts genommen. Du hast mich nicht gebrochen. Jetzt tue ich all die Dinge, die damals nicht möglich waren. Manchmal denke ich dabei an Dich; male mir aus, was Du wohl dazu zu sagen hättest. Aber viel öfter tue ich das nicht. Weil ich weiß, dass es nun keine Rolle spielt.

Donnerstag, 8. Dezember 2022

Kapitel 36: Hafenklang

Stich mir die Klinge in die Brust
Gib mir einen letzten Kuss
Wirf mich vor den nächsten Zug
Tu einfach was du tun musst
Aber tu's mit mir
TEMMIS - Klinge 

>> Nein. Ich hab genug.

Ihre letzten Minuten; sie lässt sie verstreichen. Das war's. Oder vielleicht könnte ich ja  -

>> Nein. Ich hab genug, wirklich. 

Wie eine Schlange eine Maus anstarren würde; dabei macht es keinen Unterschied. Ich will sie nicht sehen, will nicht mit ihr reden. Unsere Gespräche enden immer gleich, weil wir den Anfang nicht finden. 

>> Nein. NeinNeinNeinNeinNein...

Also tue ich, was ich tun muss. Bevor sie mir das Herz bricht.

(Ich hab genug. Das sage ich mir selbst, immer und immer wieder.)
(Ich hab genug. Aber für wie lange? Wie lange noch?)
                                                                                                                                                     //Sonntag//

&&&

I tried your phone and I bought dry shoes
The squelch of rubber soles on wet tar
There's too many steps from where you are
I'll conjure you up, you'll appear
It's ridiculous that you're not here
Karin Park - Bending Albert's Law

today i've decided i'm done with missing you
just like i did yesterday
and like i will tomorrow 
   
                                                                                                                                               //Mittwoch//

&&&

Ich kauf doch jetzt keine Weihnachtskarte?! Lieber würde ich mir die Pulsadern mit einem Schlüssel öffnen. (Sorry, ich weiß, dieser Satz ist mehr als unangebracht - aber das sind die letzten drei Jahre halt auch.) Aber weiter im Text: nun werde ich mich garantiert nicht auf diese Art und Weise degradieren; von uns wird nichts übrig bleiben am Ende. Ich will auch keine Worte mehr darüber verlieren; ich dachte noch, ich müsste schließlich eine Erklärung finden für das Chaos - aber das Chaos resultiert ja erst aus meinem Versuch, zu schreiben. Ich schreibe [ihr] keine Weihnachtskarte, keinen wie auch immer gearteten Brief. Es gibt auch keinen Briefumschlag auf dieser Welt, in dem Platz wäre für all diese Gefühle.
                                                                                                                                                    //Samstag//

Samstag, 3. Dezember 2022

#00ff00

Dein unser Geheimnis brennt auf meiner Seele wie ein Schandfleck. Ich will das nicht; ich will das so nicht. Ich drehe den Briefumschlag in meinen Händen, in der verzweifelten Hoffnung, dass er zwischen meinen Fingern mitsamt seinem Inhalt zu Staub zerfällt. Du warst so eisig, so bestimmt, als ich Dir das gerade zurückgeben wollte. Das macht mich richtig wütend. Verstehst Du denn nicht, dass das zu viel ist? "Ich hätte ja auch sagen können, dass." Ja, hättest Du das mal gesagt; verdammt, das wäre für mich viel einfacher gewesen. Ich will auch nicht dankbar sein müssen, wenn es sich doch anfühlt wie ... Gebrandmarkt zu werden. Ich bin jetzt - zu was macht mich das? Zu was macht m i c h das, möchte ich fragen, aber das geht nicht, weil ein Geheimnis beinhaltet, es keiner dritten Person zu erzählen, und Dir kann ich es nicht sagen. Du hättest das einfach nicht tun dürfen, denke ich; nie nie nie werde ich [davon] Gebrauch machen. Stattdessen wird es da sitzen, Dein unser Geheimnis, in meinem Kleiderschrank wie ein Monster, das mich aus seinen giftgrünen Augen anstarrt. Und ich hab giftgrüne Flecken auf meiner Haut, da wo ich's berührt habe. Wie ein Schandfleck, der auf meiner Seele brennt.