Sonntag, 27. November 2022

grace and lies locked the door from the other side

[Triggerwarnung bzgl. Alkohol, I guess?]

Montag, 14.11.22
Hör mal auf mit dem Trinken sagt Cheza. Und leg dich ins Bett. Also, zum Schlafen. Sehr spezifisch, der letzte Satz. Zu dem Zeitpunkt des Anrufs liege ich nämlich auch im Bett, neben mir auf dem Nachttisch der dritte Wodka Lemon des Nachmittags, und alles dreht sich. Sie hat nicht viel Zeit, ich habe eine Lücke gefunden zwischen Arbeit und ... Ichweißnichtgenauwas. Jedenfalls fehlt mir aufgrund des Alkoholpegels irgendeine Art Filter, und ich rede wie ein Wasserfall. Versuche ihre Antworten festzuhalten, in dem Wissen, dass ich mich an dieses Gespräch nicht mehr gut werde erinnern können. (Schreibpause, um das erste Mal an diesem Tag etwas Richtiges zu essen. Es ist kurz nach 18 Uhr. Ich möchte das unkommentiert lassen.) Aber weiter im Text: als wir dann auflegen sehe ich auf meinem Handy die Benachrichtigung über das nächste Konzert von Antimatter - Ende nächster Woche, wie ein Zeichen. Denn zum Zeitpunkt des letzten Konzerts war ich in einer ähnlichen Verfassung; in einem ähnlichen Loch, und wenn ich im April da raus klettern konnte, dann kann ich nun auch. (Also höre ich mit dem Trinken für heute auf. Und lege mich ins Bett.)

Mittwoch, 16.11.22
Ich höre mit dem Trinken auf, klar, kein Ding, so als sei das das Einfachste auf der Welt. So als hätte ich den kompletten Dienstag über nicht das überwältigende Verlangen nach Alkohol verspürt. Ich bin eigentlich nicht so. So als wäre ich nicht den ganzen Tag über unterwegs gewesen und nach der Arbeit noch zu einer Freundin gefahren, bloß um nicht alleine in meiner Wohnung zu sein. Eigentlich bin ich nicht so, echt nicht. Heute dann das Gespräch mit Rell - sie scheint nicht sonderlich erfreut angesichts meiner ... fehlenden Initiative, mir Hilfe zu holen, würde ich mal sagen. Noch weniger erfreut sein wird sie nächste Woche, wenn sie erfährt, dass unser angedachter Plan nicht funktionieren wird. (Ein wenig hoffe ich, dass sie mich dann in Ruhe lässt. Schließlich geht's mir schon wieder besser. Ich brauche gar keine Hilfe.)

Freitag, 18.11.22
Ich hab mit dem Trinken aufgehört. Für drei Tage. Aber heute ist ja Freitag, und gegen einen Drink nach Feierabend gibt's doch eigentlich nichts einzuwenden? Außer wenn Feierabend halt um 12 Uhr ist, aber naja, es muss ja nicht wieder so sehr aus dem Ruder laufen wie Anfang der Woche. Also halte ich mich zurück; und ein paar Stunden später signalisiert mein Körper mir deutlich: Lass mal gut sein mit dem Wodka. Ja. Okay. Ich bin sowieso zu erschöpft um nochmal aufzustehen und in die Küche zu gehen glaube ich, genauso wie am Mittwochabend, als ich eingeschlafen bin um 21:30 Uhr und es vorher nicht mal mehr geschafft habe, die Lichterketten auszuschalten. Ein klein wenig habe ich Angst vor den nächsten beiden Tagen, wenn am Wochenende die Struktur fehlt; ich habe mich vor ein paar Wochen erst aus so einem Sumpf raus gearbeitet, ich möchte nicht schon wieder in die nächste Krise rutschen. Ob das die Winterdepressionen sind, die langsam anklopfen? Auf die könnte ich gut verzichten dieses Jahr.

Sonntag, 20.11.22
Es ist 14 Uhr, ich liege noch immer im Bett. Ich wollte schon vor Stunden aufstehen, Yoga machen und frühstücken zu Mittag essen. Ich gehe fest davon aus, dass das im Laufe des Tages auch noch geschieht - nur halt im Moment nicht. Im Moment bin ich zu sehr mit Vermissen beschäftigt, voller Naivität, so als hätte sich seit September nichts verändert. (Aber darüber kann ich nicht schreiben. Ich kann einfach nicht.) Drei Stunden später schütte ich mir Wodka mit Blutorangensaft in den Hals, um den Schrei zu ertränken, der in meiner Kehle sitzt. Noch knapp 2 Wochen bis zum (zweit? dritt?) schwierigsten Tag im Jahr, und ich bin jetzt schon mit Zusammenbrechen beschäftigt. Selbst danach bleibt immer noch das Problem, das in der Heimatstadt auf mich wartet. Die nächsten 6 Wochen werden wahrscheinlich ein verdammter Struggle. Großartig, ich hab echt richtig Bock.

Dienstag, 22.11.22
Ich prügele mich so durch die Tage. Morgen spreche ich nochmal mit Rell und muss irgendwie Worte finden - fck, ich kann nicht mal Worte dafür finden, wofür ich Worte finden muss?! Also, das wird spannend. Dann treffe ich nach Feierabend noch auf neue, unbekannte Menschen. Sehe ich mich nicht so ganz, aber ich wollte Deltas Einladung nicht ablehnen. Und eigentlich will ich ja auch wollen, und nicht immer nur alleine in meiner Wohnung vereinsamen. Leider hat mein Energielevel da auch noch ein Mitspracherecht. Naja, mal sehen.

Donnerstag, 24.11.22
But grace and lies locked the door from the other side
And now there's not much else there
Grace and lies in all
How long can you hide?
How long can you hide?
How long
Antimatter - Leaving Eden

Samstag, 26.11.22
Meine kurzzeitige Obsession mit Antimatter scheint überwunden zu sein; ich liege im Bett, ziehe mir die Decke über den Kopf und höre zum elften, zwölften, dreizehnten Mal Cities Of Asylum. Der Gedanke an all die Dinge, die erledigt werden wollen, überfordert mich massiv. Es sind streng genommen nur Kleinigkeiten, aber ich habe keine Energie, um auch nur die geringste Anforderung zu bewältigen. Gegen 15 Uhr ziehe ich dann vom Bett auf das Sofa um, um mich am Laptop zumindest um die Sachen zu kümmern, für die ich das Haus nicht verlassen muss. In der Theorie ein guter Gedanke, doch eine bleischwere Erschöpfung liegt über mir wie eine Decke. Die Aussicht darauf, nach dem E-Mails schreiben etc. vom Sofa wieder aufzustehen, um weißgottwas zu erledigen, bringt mich fast zum Weinen. Dabei will ich mir doch nur etwas zu essen machen und meine Haare kämmen. Und dann Zähne putzen, ein Paket zurückschicken, ins Einkaufscenter fahren, und und und. Ist das zu viel verlangt?

Es ist zu viel verlangt. Ich erstelle eine to-do-Liste mit knapp 15 Punkten, markiere mir davon 6, und schaffe 3 1/2. Mir geht's besser ab dem Moment, in dem ich anfange, die Umstände zu akzeptieren. Erneutes winterliches Energiedefizit? Ist jetzt eben so; und war ja auch zu erwarten, wenn man die letzten Jahren betrachtet. Und solange es nicht zu einem erneuten winterlichen vom-Balkon-springen-wollen kommt, kann ich mit meiner Lage (sehr) gut umgehen. Es ist so viel besser als die Jahre zuvor. Nun heißt es Daumen drücken, dass das in den nächsten Wochen auch so bleibt.

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