Donnerstag, 14. April 2022

Telomeres [this is not goodbye V]

/ And we go beyond the farthest reaches... / Nur dass wir das nicht tun denke ich. Ich denke auch - und ich weiß nicht, woher dieser Gedanke kommt: wenn heute das letzte Mal wäre, das wir uns sehen, wäre das seltsam in Ordnung. Natürlich wäre das nicht s c h ö n; natürlich wäre das nicht das, was ich w i l l. Aber ich müsste nicht sterben, so wie ich es bislang geglaubt habe.

Ich brauche keinen Grund, um sie wiederzusehen, und trage doch einen in meiner Tasche. 

Welche Abzweigung auch immer wir genommen haben, um zu diesem Gesprächsthema zu gelangen - kann das bitte öfter passieren? Doch, jetzt wo ich nachdenke, weiß ich, dass ich es gewesen bin: mit einem "Ich glaube das schon" grätsche ich in ihre Erzählung, und schaffe es dann irgendwie, ihr wieder den Ball zuzuspielen, sodass ich meine Ansicht (erstmal) gar nicht erläutern muss, sondern ihr zuhören kann, wie sie mir von ihrem Glauben erzählt. Denn plötzlich habe ich ein wenig Angst, ihr davon zu berichten; es klingt schon absurd - aber wahrscheinlich klingen die meisten Antworten auf Fragen in Richtung Was kommt nach dem Tod? Haben wir mehr als ein Leben? Sind wir Teil von etwas Größerem? ein wenig... absurd. 

Sie beteuert, dass ich das Buch nicht zu Ende lesen muss, wenn es mir nicht gefällt. Aber um "gefallen" geht es mir gar nicht. Ich mag es, zu lesen, was sie gelesen hat. Mit meinen Augen über die selben Worte zu wandern, über die sie mit ihren Augen gewandert ist; mit meinen Fingern die selben Seiten umzublättern, die sie mit ihren Fingern umgeblättert hat.

Nach der "Was sie berührt, ist heilig" Devise müsste ich es auch sein.

Ich muss daran glauben. Auch daran, dass ein Stück Bewusstsein zurückbleibt. Wie sollen wir uns denn sonst wiederfinden? 

Within you is universal energy, the source of life, the unexplainable force that spins planets and fuels suns.

[Ich möchte über Dankbarkeit schreiben, aber es ist gerade so schwierig. Ich finde auch ihr gegenüber die richtigen Worte nicht, und überhaupt habe ich den Eindruck, dass "nur" Worte an dieser Stelle gar nicht ausreichen. Sie tut dann so, als sei das keine große Sache - als sei es keine große Sache, dass sie immer noch da ist für mich - und ich will doch nur, dass ihr bewusst ist, dass ich es zu schätzen weiß, dass sie bleibt. Weil mir klar ist, dass das nicht selbstverständlich ist; weil mir klar ist, dass sie jederzeit gehen könnte. Und je mehr Zeit vergeht, desto weniger nehme ich das Ganze als selbstverständlich an - man könnte ja auch meinen, dass so eine Art Gewöhnungseffekt eintritt - aber mit jedem Tag, jeder Woche, jedem Monat der vergeht erstaunt es mich mehr und mehr, sie immer noch an meiner Seite zu haben.]

Später. "Als ich vor einer Weile hier war, hast du erzählt, dass (...) und dann hast du gesagt: Die* waren nicht dabei. Die* wissen nicht, wie es sich anfühlt. Wie fühlt es sich an?" - "Richtig."

Vielleicht doch.

And we go beyond the farthest reaches
Where the light bends and wraps beneath us
And I know as you collapse into me
This is the start of something new
Sleep Token - Telomeres

Sonntag, 3. April 2022

Fehler

November
"Du hast einen Fehler gemacht."

Dezember
Aber wir führen kein Fehler-Gespräch und ich weiß, dass ihr [Rell] wahrscheinlich alles aus dem Gesicht fallen würde bei meinen Worten. Sie ist da nämlich ganz anderer Ansicht und das sagt sie mir auch, in den unterschiedlichsten Wortlauten. Die sind alle nicht wie du. Oder: Ich will jemanden, der so ist wie Ria. Warte - was?! Die sollen sein wie ich?! Dabei ist es doch schon eine Strafe, dass eine von meiner Sorte existiert. Eigentlich dürfte man mich gar nicht auf die Menschheit loslassen, wie zum Teufel bin ich an eine Berufsurkunde gekommen, die mir genau das erlaubt? Das muss ein Versehen sein, wo kann ich mein Examen zurückgeben? Doch, sicher, sie hat einen Fehler gemacht, die alle haben einen Fehler gemacht: ich bin es. Ich bin der Fehler.

Januar
19.01.22 Eintrag #179
Was für ein fucking Chaos. Was für ein abgefucktes Chaos, in das mein Leben sich gerade verwandelt.

Februar
>> can you fix me? // i've fallen into the palm of your hand
>> i wanna live outside of all of this
>> Is everybody going crazy?

März
Ich breche zusammen. Nicht geborgen in der Einsamkeit meiner Wohnung, vor Blicken geschützt, so wie all die Male zuvor, sondern am helllichten Tag, unter Menschen. Ich weine und weine und weine und Jalta nimmt mich in den Arm; ich weine ihren Pullover nass und es kümmert sie überhaupt nicht, es kümmert sie auch nicht, dass wir bislang vielleicht zwei Sätze miteinander gesprochen haben.

Und dann ist Rell da und ich sage es doch - ich sage nur die Wahrheit; oder zumindest das, was sich wie die Wahrheit anfühlt - und tatsächlich fällt ihr alles aus dem Gesicht. Plötzlich sieht sie mich ganz ernst an und ringt mir das Versprechen ab, nie wieder zu sagen, dass. Sie versichert mir auch, dass ich eine tolle Therapeutin bin, aber darum geht es überhaupt nicht. Ich zweifle nicht an meinen Fähigkeiten als Therapeutin. Irgendetwas ist mit mir als Mensch grundlegend nicht in Ordnung. Denn es ist Frühling jetzt - die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, es ist länger hell - und ich war der festen Überzeugung, dass es schon wieder besser wird, wenn ich nur diesen Punkt erreiche, aber. Irgendwie will ich immer noch im siebten Stock vom Balkon springen.

April
Verdrängen ist das Mittel der Wahl. Ich muss verdrängen, dass die Ria, die ich sein wollte, lange die Oberhand hatte, dann all das Positive weggeworfen hat, und jetzt habe ich mich in irgendetwas... Unaussprechliches verwandelt. (Kurze Korrektur: "weggeworfen" klingt so aktiv; vielmehr scheint es ein passiver Vorgang gewesen zu sein. Es ist abhanden gekommen. Bloß weiß ich nicht zu welchem Zeitpunkt, oder aus welchem Grund das passiert ist.)

Ich falle in alte Verhaltensmuster zurück. Erst war's nur ein kleiner Rückfall. Und dann noch einer. Und noch einer. Ich dachte: okay, kein Ding, ich kann's wieder besser machen. Und jetzt sitze ich hier, Wochen später. Und mach's nicht besser. "Ich hasse es" - oder "Ich hasse mich" könnte an dieser Stelle passend klingen, aber ich fühl's nicht. Es ist mir so unendlich egal. Das ist das Schlimmste. 

Dabei ist die Zukunftsperspektive so gut wie schon seit Monaten nicht mehr. Aber das reicht nicht. Etwas fehlt. Sie fehlt. Ich sollte daran gewöhnt sein, aber ich kann.mich.nicht damit abfinden. Vielleicht ist d a s der Fehler; meine Engstirnigkeit. Meine Hoffnung. Ich kann nicht aufhören, zu glauben. Und ich würd's nicht eintauschen wollen. Für nichts auf der Welt. Wie kaputt muss ich sein, wenn das Einzige, das ich wertschätze, mich gleichzeitig zugrunde richtet.