Montag, 1. Februar 2021

Kleider machen Leute

[Triggerwarnung bzgl. Essstörung inkl. Nennen von Zahlen]

Wir starten mit Kontext. Zum letzten Post. Manchmal vergesse ich, dass die Menschen, die das hier lesen, nicht in meinem Kopf wohnen. Oder mein Leben die ganzen letzten Jahre nicht verfolgt haben. Und ich deswegen manche Zusammenhänge erläutern sollte. Also. Vor drei Jahren habe ich ein Praktikum in einer Rehaeinrichtung gemacht. Dort habe ich mich in den Beruf verliebt, den ich gerade lerne. Das war meine Motivation, endlich an meiner Essstörung zu arbeiten. Im Rahmen der Ausbildung muss ich wieder ein Praktikum machen, welches mich in eben diese Einrichtung zurück geführt hat. Wegen meiner Essstörung bin ich nie in stationärer Behandlung gewesen - einer der Gründe, wieso ich immer dachte, dass ich gar keine "richtige" Essstörung haben kann und/oder dass ich nicht "krank genug" gewesen bin. Natürlich hatte ich trotzdem Menschen an meiner Seite, die mir geholfen haben. Ärzte, Therapeuten, Sozialpädagogen etc., und eigentlich auch nur jeweils eine dieser Personen, weswegen ich an dieser Stelle gar keinen Plural verwenden müsste. 
Jedenfalls: ich bin zurück. Verliebt wie am ersten Tag, nur dass ich dieses Mal größtenteils weiß was ich tue, und mir keiner mehr medizinische Begriffe erläutern muss. Könnte alles gut werden, wenn die Kleiderordnung nicht wäre. Ich soll ein weißes Oberteil tragen, weil wegen Therapieberuf schätze ich, und eine lange Hose, weil wegen wasauchimmer. Beides ist nicht wirklich Bestandteil meiner Garderobe - glücklicherweise habe ich noch die Kleidung vom letzten Mal. Aber. Aber, aber, aber. Das ist Vergangenheits-Kleidung. In die Vergangenheits-Ria mit ihrem 16er BMI reingepasst hat. Gegenwarts-Ria passt da zwar noch immer rein - ich weiß nicht genau wie; weiß nur, dass das nicht richtig ist. Ich kann gar nicht in Worte fassen, auf wie viele Arten das falsch ist. (Und wie ich das den "Außerhalb meines Kopfes" Menschen verständlich erläutern soll.) Fängt schon dabei an, dass ich einfach super ungerne Hosen trage. Und jetzt auch noch Hosen, die ... nicht (länger) für mich gemacht sind. Für die ich nicht (länger) gemacht bin. Objektiv sehe ich darin ganz passabel aus - davon abgesehen dass weiß meine Leichenblässe besonders zur Geltung bringt - aber subjektiv ist dieses "Vergangenheits-Kleidung tragen" eine Katastrophe. Ich sehe in dieser Kleidung nicht richtig aus, oder diese Kleidung sieht nicht richtig aus an mir. Keine Ahnung.
Das triggert meine Essstörung natürlich auch nur minimal. Deswegen schrieb ich vor ein paar Tagen, dass das Essen gerade mit sowas wie einem schlechten Gewissen verbunden ist. Erschwerend kommt hinzu, dass mir nun schlicht und ergreifend die Pausen fehlen. Wie machen Menschen das? Also, von 08:30 bis 17 Uhr zu arbeiten und nur eine Mittagspause zu haben? Wie machen deren Körper das mit? Kann das denn normal sein? Meine Normalität sieht sechs Mahlzeiten am Tag vor - also, drei Hauptmahlzeiten und drei Snacks. Mittlerweile brauche ich dafür keinen festen Zeitpunkt mehr, aber nach einer Weile merkt mein Körper schon, dass die nötige Energiezufuhr gerade nicht stattfindet. Meine Optionen? Versuchen mich daran zu gewöhnen, verbunden mit dem gleichzeitigen Bemühen, nicht zusammenzuklappen. (Eher weniger praktikabel.) Oder: in den drei Minuten zwischen den Patienten ein paar Kleinigkeiten essen. (Besser, aber immer noch nicht optimal.) Ich freue mich schon jetzt auf meine erste Vollzeitstelle. *hust* // Zum Abschluss noch eine kleine Bemerkung am Rande: nicht nur Kleider machen Leute. Leute machen auch Kleider. Zu denen habe ich auch schon gehört. Es fehlt mir tatsächlich auch ein wenig. Aber jetzt bloß nicht sentimental werden...

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