Freitag, 1. Oktober 2021

3. Person / Singular / Präsens / Indikativ / Aktiv

Ich schreibe also diese Worte; schreibe Worte in die Stille und weiß dass ich auch schreien könnte: es macht keinen Unterschied. Du hörst mich nicht. Du hörst mich nur, wenn wir beide uns im selben Raum aufhalten; zu jedem anderen Zeitpunkt existiere ich in Deinem Leben nicht. Ich bin wie ein Geist; dabei bist Du es, die meine Gedanken heimsucht.

H i e r unterbricht mein Schreibfluss, ich stolpere über das Wort heimsucht. An dieser Stelle ein Verb: 3. Person Singular Präsens Indikativ Aktiv; "heimsucht" wie in "Als etwas Unerwünschtes, Unheilvolles o. Ä. über jemanden, etwas kommen; befallen." (Danke, Duden.) Aber wenn man es mal als Kompositum betrachten würde? Also heim+sucht? Und damit meine ich "heim" wie in "zuhause" und "sucht" wie in "suchen"? Das wäre dann nämlich meine Wenigkeit; 20 Jahre lang war ich "Die Heimsuchende" - bis ich mein Zuhause (bei Dir) gefunden habe.

So, und jetzt noch ein linguistischer Gedankengang - wir machen aus "heimsucht" noch ein Kompositum, dieses Mal aus zwei Nomen: wieder "Heim" wie in "Zuhause" und die "Sucht" wie "Abhängigkeit" - und auch in diesem Fall bin ich schuldig im Sinne der Anklage. Ich bin "heimsüchtig" - kann nicht genug bekommen von meinem Zuhause; von Dir. Und das ist der Fehler im Plan. Denn geplant war nie Mehr. Sondern immer nur Weniger. Ich erinnere mich noch daran, wie Du, als wir vor ein paar Monaten gesprochen haben, versucht hast die Veränderung zu relativieren. Erst dachte ich, dass Du Recht hast mit Deiner Sichtweise. Aber man kann das Ganze nicht mit meinen - Wortwahl? - restlichen Freundschaften vergleichen. Schon aus dem Grund, weil wir eben keine Freunde sind.

Ich meine, Sapphire sehe ich üblicherweise zu Weihnachten, und dann meist erst wieder im Frühjahr, weil sie so weit weg wohnt. Und das ist in Ordnung, eben w e i l wir zwischendurch in Kontakt stehen: per WhatsApp, Skype etc. Wenn ich Dich sehe, meinetwegen auch um Weihnachten herum, und dann erst wieder nach zwei/drei Monaten, herrscht in dieser gesamten Zeit Funkstille. Das ist der Unterschied; das ist es, was mich so... wahnsinnig macht. Ich würde Dir jetzt so gerne mitteilen, dass ich gut in der neuen Stadt angekommen bin, und wie mein erster Arbeitstag lief usw. - dazu fehlt mir aber jegliche Möglichkeit.

Stattdessen ist da Fuchs, der mir 30.000 Fragen stellt. Und vielleicht ein bisschen zu begeistert ist angesichts meiner Anwesenheit. So, um jetzt mal zum Punkt zu kommen mein berühmter Satz, der auch sehr gut zu dieser Situation passt: Ich weiß, dass das so ist, und dass das so sein muss, und dass es nichts gibt, was man dagegen tun könnte. Bloß hilft mir mein Wissen nicht; ich hasse es immer noch wie die Pest. Noch vor ein paar Tagen gingen mir all die Dinge durch den Kopf, die Du nicht tun kannst - nachdem mir auffiel, dass ich Dich mit meiner schwammigen Antwort total im Dunkeln gelassen habe. Das war gar keine Absicht, ich hatte bloß Angst, etwas Falsches zu sagen. (Der Gedanke, dass Du diese Info vielleicht brauchst, weil Du denen* Rede und Antwort stehen musst, hat mich dann fast zur Weißglut getrieben.)

Der Gedanke, dass Du diese Info für Dich brauchst... ist eigentlich gar nicht zulässig. Denn was hätte er - bis ans Ende gedacht - für eine Bedeutung? H i e r sollte ich aufhören, weiter daran zu denken, weil das eine Spirale in nur eine Richtung ist: abwärts. Vielleicht ist das der Zeitpunkt, um auf die Definition von "heimsuchen" zurückzukommen, die ich dem Internet entnommen habe: ich habe Dich mit etwas Unerwünschtem/Unheilvollem verglichen, aber Du weißt bestimmt, dass das überhaupt nicht meine Ansicht ist. Ich habe diese Worte noch nie ausgesprochen, auch nie aufgeschrieben, aber ich halte Dich für das Beste, was mir passieren konnte. Ja... das klingt jetzt wie ein Klischee, und noch vor zwei Jahren hatte ich eine ganz andere Meinung. Da hast Du nämlich gesagt "Es ist das Beste, das hätte passieren können" - und ich habe Dir kein Stück geglaubt. 

Aber das war bevor* - und bevor* bestand aus Kälte, Zittern, Panik. Dann vorsichtige Hoffnungen, Tage zählen, noch mehr Panik; aber das weißt Du natürlich. Ich merke gerade, dass ich keine Ahnung habe, wie diese ersten vier Zeilen sich so vervielfachen konnten, und ob dieser Text einigermaßen zusammenhängend ist. (Ich habe heute Morgen Kaffee getrunken. Ich trinke sonst nie Kaffee. Vielleicht erklärt das meine wirren (?) Gedanken.) Ich bin auch zu müde - trotz Kaffee! - um beurteilen zu können, ob man meinen Gedanken folgen kann; heute Vormittag sind so viele Informationen auf mich eingeprasselt, dass ich keinerlei Verarbeitungskapazitäten mehr zur Verfügung habe. Von heute Vormittag würde ich Dir gerne erzählen. Aber. 

Ich habe auch gar kein schlaues Fazit an dieser Stelle; ich könnte jetzt über den Preis philosophieren, den ich nun eben bezahle, oder darüber, dass das alles Part des Deals ist - Deal bringt mich dann zu Dealer bringt mich zurück zu Abhängigkeit. Naja, Abhängigkeit hin oder her; trotzdem bin ich jetzt hier. Ich glaube, es war die richtige Entscheidung. Ich weiß, dass Du weißt, dass ich ein bisschen Angst habe; und Du weißt, dass ich weiß, was die Lösung ist für dieses Problem. Aber noch bin ich in Ordnung. Es ist gerade sehr in Ordnung. Keine Kälte. Kein Zittern. Keine Panik. (Okay; ein bisschen Panik.) Aber dafür sehr viel Hoffnung.

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