Dienstag, 7. September 2021

Glück ist, wenn die Katastrophe eine Pause macht

Mittwoch - 01.09.21
Die schönsten drei Worte der Welt sind nicht etwa "Ich liebe dich" (oder "Essen ist fertig") sondern "Sie haben bestanden" aus dem Mund meiner Schulleiterin. 

Donnerstag - 02.09.21
Zeugnisvergabe. Bei der nächsten Schülerin freue ich mich besonders darüber, ihr heute ihr Zeugnis überreichen zu dürfen... Und dann wird m e i n Name genannt. Also stehe ich auf, gehe nach vorne und nehme die Mappe mit den Dokumenten und die Blumen entgegen. Der Rest der Feier ist gefüllt mit Herzlichen Glückwunsch, Ria und Ich bin stolz auf dich, Ria.
Wieder zuhause greife ich zum Telefon und wähle Chezas Nummer. "Ich hatte gehofft, dass du mich anrufst" sagt sie und so sehr ich mich über ihre Worte freue, ist es doch genau dieser Satz, der das größte "Problem" aufzeigt, das wir haben -

Freitag - 03.09.21
Es ist halb 3 in der Nacht. Ich bin (wieder) so wach, dass ich das Gefühl habe, die nächsten 5 Nächte keinen Schlaf zu benötigen. Mitten auf der Tanzfläche trifft mich dann die Realisation, dass all diese Tage ja nicht nur von Feierlichkeiten geprägt sind, sondern auch von Abschieden. Da sind so viele verschiedene Personen auf dieser Party, von denen mir manche wirklich ans Herz gewachsen sind; und nicht mal bei Reya oder May ist vorauszusehen, wann wir uns wiedersehen werden. Drei Stunden später, um halb 6, liege ich auf Reyas Sofa und versuche, die Tränen zurückzuhalten. Im gleichen Raum schlafen May und ihr Freund auf ihren Luftmatratzen; dies ist nicht der passende Ort, um sich in den Schlaf zu weinen...

Samstag - 04.09.21
Vier Stunden Schlaf und eine Autofahrt von gefühlt der gleichen Länge später bin ich wieder zuhause. Mitgebracht habe ich einen Haufen Gefühle, die ich nicht zuordnen kann. Die Copingstrategie meiner Wahl für den restlichen Tag bzw. Abend lautet: zwischen Pixeln verschwinden. Also tue ich genau das.

Sonntag - 05.09.21
to do Liste für die nächste Woche:
- Schadensbegrenzung
- Aufräumen, Wäsche waschen, Altglas wegbringen
- Nachrichten beantworten
- Wohnungssuche
- Einkaufen
- Briefwahl beantragen

Montag - 06.09.21
Eigentlich wollte ich diesen Post am Sonntag veröffentlichen. Aber irgendwie fühle ich mich gerade nicht danach, Dinge aus meinem Leben mit dem Internet zu teilen. Ich weiß nicht, warum das so ist, oder wie lange das so bleibt. Aber vielleicht ist das auch total in Ordnung.

Dienstag - 07.09.21
Es ist 13:45 Uhr. Ich liege immer noch - oder: erneut - im Bett. Es ist wundervoll, endlich mal wieder ohne schlechtes Gewissen unproduktiv sein zu können, nachdem sich ein halbes Jahr lang jede Pause erarbeitet werden musste. Ich würde das Examen nicht nochmal machen wollen; sowieso erstaunt mich immer noch, dass es geglückt ist, wenn man bedenkt, wie es mir im Februar/März ging. [Kurzfassung: Tränen. Noch mehr Tränen. Hungern. Dissoziation. Längere Fassung nachzulesen hier: Should I? / Délivrance / Wither / Monochrome]
Ich weiß nicht, welche Ressourcen ich dann mobilisiert habe, um Prüfungen zu absolvieren, die sich über fünf Monate ziehen. Aber: es ist endlich geschafft, und ich muss nie wieder eine Klausur schreiben oder sitze in einer mündlichen Prüfung von fünf Menschen, die von mir erwarten, dass ich jetzt spreche. Ich bin unglaublich erleichtert; es bleiben nur noch zwei Dinge, die mich in mini-bisschen stressen. Das verwundert mich, denn ich bin es nicht gewohnt, dass es mir gut geht; die ganzen letzten Jahre war immer irgendetwas. Es fühlt sich so an, als müsse ich wachsam bleiben, damit die nächste Katastrophe mich nicht aus dem Hinterhalt überraschen kann. Denn: wenn jetzt nichts Schlimmes passiert... ist dann überhaupt noch mein Leben?

1 Kommentar:

  1. weißt du was? ich finde, du kannst stolz auf dich sein <3
    und du darfst dir eine mentale auszeit gönnen und mal kurz durchatmen.
    herzlichen glückwunsch, ich freue mich wahnsinnig für dich!

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