Dienstag, 19. Juli 2022

Mein persönlicher Planet

Ich stelle das Weinglas auf dem Nachttisch ab. Sicherheitshalber. Es ist fast bis zum Rand gefüllt mit der fragwürdigen Mischung aus Kirschsaft und Tonic Water und ich merke, wie die Wut allmählich in mir hoch kocht. [Ich habe in ähnlichem Zustand schonmal ein Glas kaputt gemacht. Das muss kein zweites Mal passieren.]
("Ist das jetzt komisch für dich?")
D a s. Das sind die einzigen Situationen, die ich mir ausmalen kann. Und dabei habe ich meine Fantasie noch ganz gut im Griff.
("Ist das jetzt komisch für dich?")
Dann fällt mir ein, dass sie meine Frage früher schon beantwortet hat, ohne dass ich sie stellen musste. So weit wird es gar nicht erst kommen; schließlich gibt es Regeln. Sie tut dies nicht, sie tut das nicht, ich muss immer immer immer, und nie nie nie können wir -
("Ist das jetzt komisch für dich?")
Mir ist schwindelig und mir ist kalt und heute morgen bin ich aufgewacht und... Mir ist ein bisschen kalt sage ich und sie sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Draußen solide 34 Grad, ich trage Sandalen und ein Kleid mit kurzen Ärmeln... ich trinke Tee, w a r m e n Tee, mir sollte nicht "ein bisschen kalt" sein. Mich fröstelt es, gleich Vergangenheit oder Gegenwart. Mich fröstelt's beim Gedanken an die Zukunft.

Erster Tabubruch: in sein Auto einsteigen. 
Das ist nicht so einfach, wie es sich anhört. 
Aussteigen, den silbernen Türgriff umfassen, die Tür aufziehen, sie ist schwer  - jede Bewegung schimmert in meinem Hirn auf wie eine Aurora Borealis. Es ist, als wäre sein Wagen vom Elmsfeuer umflirrt. Das ist kein Auto, sondern ein Schiff auf See irgendwo hoch im Norden. Das mich irgendwohin bringt.
Mich hineinsetzen.
"Hallo" sagt er, als hätten wir uns nicht schon seit zwei Stunden unterhalten. 
"Hi."
Aber alles ist neu. 
(...)
"Ist das jetzt komisch für dich?" fragt er. 
Ich will die Frage nicht beantworten. Ich drehe den Kopf und sehe ihn an.
"Nein, ist schon okay."
"Ehrlich?"
"Ist okay, ehrlich."
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich warte ab, was er macht. Er scheint auch zu warten. Vielleicht sollte ich etwas sagen.
R. A. Nelson - teach me 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen