Mittwoch, 28. Juli 2021

Echos

Ich öffne den Bilderrahmen, um mir die Rückseite der Karte anzusehen. Es geht nicht um die Worte; die Worte kenne ich mittlerweile auswendig, so oft habe ich sie gelesen.

Seitdem

Es ist ihre Handschrift; ich möchte mir doch nur ihre Handschrift ansehen, nur für ein paar Augenblicke. Und dann noch ein paar Augenblicke länger, und dann... dann fällt mein Blick auf das Datum. Sofort sind da Gedanken: was tun wir denn eigentlich? Was tun wir denn da?

Immer noch

I m m e r n o c h, denn es ist noch immer nicht leicht(er). Und das wird es auch nie sein; keine Ahnung was sie sich dabei gedacht hat, sie hat mich doch gesehen: schweigend, wütend und kalt. So kalt. Vielleicht war das gar nicht der Dezember, denke ich, der die Kälte in dieses Haus gebracht hat, vielleicht kam die Kälte aus mir, direkt aus meinen Knochen, oder meinem Blut; vielleicht bin ich doch gestorben, winterblutend auf den Fliesen, an einem Ort, an dem wir nach all den Jahren zwei Fremde waren, mit nichts als Schmerz, der uns verbindet, aber verbunden.

Nichtsdestotrotz

Dann ein neuer Monat, ein neues Jahr, ein neuer alter Ort, für das Ende kehren wir an unseren Anfang zurück. Nun sind es die gleichen Türen, die gleichen Wände, die gleichen Stimmen, es flüstert aus allem "Du hast hier nichts verloren" und wieder bin ich wütend, so wütend, aber ich kann ihnen keinen Vorwurf machen. Sie wissen es einfach nicht besser. Denn vielleicht habe ich mein Herz nicht verloren, aber zurückgelassen habe ich es doch; und sie lässt es auch zurück, wenn sie die [gleichen] Türen schließt.

Aber

Gehen muss sie, denn in der Nacht kann sie nicht atmen zwischen diesen [gleichen] Wänden. Denn in der Nacht atmen im Keller die namenlosen Geister und die Einsamkeit kriecht aus den Fugen, und wahrscheinlich tut es deswegen so unerträglich weh. Es tut so weh, dass meine Tränen fast auf das Papier tropfen, irgendwo zwischen "Liebe" und "Zukunft" landen. Sie schreibt fast ein wenig unpersönlich, in ihren gesprochenen Worten liegt viel viel mehr Gefühl. Blind starre ich auf ihre Zeilen; ich sehne mich so nach ihren gesprochenen Worten, nach ihrer Stimme, nach ihr ihr ihr. Ich tue alles; alles mögliche, bis es entweder zu spät ist, um sie anzurufen, ich zu viel getrunken habe, oder - wie in diesem Fall - beides. Vielleicht ist das besser, weil ich auch gar nicht wüsste, was ich sagen sollte.

Doch

Das stimmt nicht, ich weiß was ich sagen würde, zumindest am Anfang. Ich hätte bloß Angst, dieses Gespräch zu beenden, weil ich weiß, wie es mich zurücklassen würde: noch immer alleine in meiner Wohnung, auf meinem Sofa, krank vor Heimweh, mir wieder bewusst, dass ich nicht (mehr) in ihr Leben passe. Also hole ich mir ein Stückchen zurück von ihr, auf eine Art und Weise, auf die ich sie nicht verlassen muss; habe ihre Worte in meinem Kopf wie ein Echo.
Weil ich für dich noch immer "Zuhause" bin. Weil ich für dich "Zuhause" bin. Weil ich "Zuhause" bin. Zuhause. Zuhause. Zuhause. Zuhause. Zuhause. Zuhause...

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