Montag, 22. August 2022

help in the head (Oder: Der ganz normale Wahnsinn)

Dienstag, 16. August

"Ich schreibe heute noch meine Kündigung" sagt die Lieblingskollegin. Sie ist seit Monaten schon unzufrieden. Ich kann das verstehen, zumindest teilweise - und die Sache mit der toxischen Kollegin hat das Fass echt zum Überlaufen gebracht. Farewell, angenehmes Praxisklima. // "Kannst du vergessen, dass ich das gerade gesagt habe?" frage ich Rell und sie antwortet Nein. Ich befinde mich in einer weirden Ich-will-darüber-reden-achneindochnicht-Situation. Sie möchte dann wissen was sie tun kann, damit es mir besser geht und ich würde am Liebsten kotzen. Ich will nicht so sein wollen. Ich hätte nicht durchblicken lassen sollen dass Redebedarf besteht, aber ich habe absolut keine Energie mehr um zu verstecken, dass ich gerade nicht in Ordnung bin.

Mittwoch, 17. August

Nach dem Gespräch mit der Lieblingskollegin schlägt unsere Chefin sich auf ihre Seite. Uns beiden fällt ein Stein vom Herzen. Es soll wohl auch noch ein klärendes Gespräch mit Fräulein Toxisch geben - aber ich gehe stark davon aus, dass die Lieblingskollegin trotzdem zu Ende des Jahres kündigen wird, aus... Gründen. // Ich bin daran Schuld denke ich, und dieser Gedanke, dieses Gefühl frisst sich durch meinen Körper. Das ist meine Schuld. Ich bin dafür verantwortlich. Ich unterhalte mich dann mit Rell und kann die Worte nicht aussprechen; entscheide mich für eine Version, die weniger... krass klingt. "Wie hättest du das denn wissen sollen?" fragt sie, und natürlich hat sie Recht. I c h bin nicht diejenige, die einen Fehler gemacht hat. Und auch wenn Rell eigenartig optimistisch ist, ändert das nichts an der Tatsache, dass das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.

Donnerstag, 18. August

Entspannung an der Lieblingskollegin vs. Fräulein Toxisch Front - da wird die neue Kollegin (noch) problematisch(er). Mir gegenüber erzählt sie, sie fühle sich in der Praxis von "Migrationskindern überrannt" (ich könnte jetzt schon kotzen, aber es wird noch schlimmer) und wünsche sich mehr Patient:innen aus der "gehobenen Mittelschicht" - ob sie ihre "deutschen Patienten" denn nicht vorziehen könne? (Was. Zum. FICK?!?! Was bitte läuft bei dieser Frau verkehrt?!) Weil ich das nicht bis Dienstag für mich behalten kann, rufe ich meine Chefin an. Es verschlägt ihr die Sprache. Ich gehe stark davon aus, dass sie das Arbeitsverhältnis noch in der Probezeit beenden wird - dann müssen wir wieder einen Haufen Patient:innen in Pause schicken, aber besser keine Therapeutin als eine, die rassistisch ist, I guess? - während die Lieblingskollegin darauf setzt, dass die neue Kollegin aus eigenem Antrieb die Kündigung einreicht, weil ihr jetzt schon "alles zu viel" ist. (Das letzte Mal hat es vier Monate gedauert, die freie Stelle zu besetzen. Wenn es sich dieses Mal auch so lange ziehen sollte, stehe ich Ende des Jahres ohne Kolleginnen da. Großartig.)

Freitag, 19. August

"Ich will dich da nicht mit reinziehen" sagt die toxische Kollegin. Und dann tut sie es doch. Es ist so ermüdend. Ich will gerade gar nicht mehr darüber schreiben - das habe ich in den letzten vier Stunden mit der Lieblingskollegin zur Genüge getan. Die wollte mich da auch nicht mit reinziehen - i h r glaube ich das - aber dazu ist es zu spät. Und so wie es aussieht, werde ich nächste Woche auch nochmal für sie in die Bresche springen. Müssen könnte ich an dieser Stelle ergänzen, tatsächlich ist es eher ein Wollen, weil diese Vorwürfe, diese Negativität, dieses Gaslighting mir so dermaßen gegen den Strich gehen.

Samstag, 20. August

Ich hatte nie geplant, dass 

Sonntag, 21. August

Da war ich ja gestern richtig zum Schreiben aufgelegt. Ich glaube, da sollte sowas stehen wie, dass ich nicht geplant hatte, dass sich in diesen Post (fast) alles um irgendwelche berufsbezogenen Dramen dreht. Und jetzt tut es das doch - weil sich in meinem Leben gerade (fast) alles um genau diese Dinge dreht. Der Stress, der dadurch entsteht, lässt mich nahezu vergessen, dass [Name] immer noch im Krankenhaus liegt, dass Cheza mir so fehlt, dass d i e s vielleicht die ersten Körnchen des Sandes sind, der durch meine Finger rinnt...

Montag, 22. August

Noch ein Notfall-Telefonat mit meiner Chefin. "Du hast [Name der Lieblingskollegin] gerade den Arsch gerettet" sagt sie. Denn: Fräulein Toxisch verdreht die Tatsachen, verdreht uns die Worte im Mund und meint allen Ernstes, ich hätte am Freitag ihre Version der Ereignisse bestätigt. Uff. Ein paar Mal ist mir schon der Gedanke gekommen, dass sie vielleicht gar nicht mit Absicht so manipulativ unterwegs ist, sondern schlichtweg den Bezug zur Realität verloren hat. Macht aber keinen Unterschied. Das Verhalten, das sie an den Tag legt... da kann ich mir gar nicht so fest vor den Kopf hauen, wie ich gerne würde. Ich will einfach nur, dass das vorbei ist. Ich wollte dich da echt nicht mit reinziehen sagen sie alle - und sind jetzt doch froh; zumindest meine Chefin ist froh darüber, dass ich ihr die Wahrheit erzählt habe. (Die ist natürlich auch immer subjektiv. Aber ich denke, ich kann Tatsache und Meinung gut voneinander trennen. Im Gegensatz zu anderen beteiligten Personen.)

Ja, ich will, dass es vorbei ist, auch wenn mir gleichzeitig nicht gefällt, wie es enden wird: die Lieblingskollegin will ja so oder so die Kündigung einreichen. Aus Gründen, die auch ein klärendes Gespräch nicht aus der Welt schaffen wird. Leider. // Es gibt Lichtblicke. Es geht wieder aufwärts, in anderen Bereichen. Vielleicht mache ich da noch einen gesonderten Post zu, dieser hier ist inzwischen lang genug geworden.

I said things, yeah, I confess
I just meant you needed help in the head
You don't know what I think I said
I just meant you needed help in the head
I just meant you needed help...
The Faint - Help In The Head

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