Mittwoch, 28. August 2024

chapter 56: absti-none-ce

Gestern. Ich halte diese blöde Tüte in der Hand, so als könne mir der Inhalt die Finger verbrennen. Ich denke mir: gut für ihn. Ich frage mich, welche Gedanken ihr wohl durch den Kopf gegangen sind, beschließe dann, dass mich das Thema emotional zu sehr aufwühlt und schaue nicht mehr hin, bis heute, bis zu meiner Therapiestunde.

Was haben wir denn da verstanstaltet? Oh, und w i e wir es veranstaltet haben, nachdem "Normalerweise" außer Kraft gesetzt war, weil das für mich NiChT FuNkTiOnIeRt. Ihr seid alle schon dabei gewesen. War es nicht perfekt? Der Dialog, die Requisiten, die Kostüme und das Bühnenbild, es war die perfekte Lüge, wirklich. (Der sterbende Garten. Die sonnenblumengelbe Jacke. Dunkelblaues Geschenkpapier und meine stetig zitternden Finger. Eine Blume, die nicht sterben kann; eine Blume, die sich in mein Gedächtnis gebrannt hat; eine Blume, wunderschön und giftig, Ironie des Schicksals, etc pp. Dann natürlich noch: Kälte, ein weißes Haus - ihr habt es tausende Male gesehen, ich habe es tausende Male beschrieben. Was neu ist: ein Buch, in dem die Sätze sich lesen wie Blasphemie, Geistermusik, ihre Berührung, die mehr sagt als all ihre Worte zusammen, und: letzte Male.

Jetzt, hier, will ich am liebsten irgendwas in Brand setzen. Ich werde aber: frühstücken, meine Blumen gießen, dann brav auf die Arbeit fahren, danach mit Kätzchen ins Kino gehen, und mir einreden, dass das Thema nichts mit mir macht. (Ich hab das doch gewusst, alles und von Anfang an. Ich hab das doch gewollt, alles und von Anfang an. Spielt keine Rolle, sagt der Therapeut. Er hat ja keine Ahnung. Das ist gar kein Vorwurf, ich kann seine Fragen auch nicht beantworten. (Nochmal, jetzt die Wahrheit: Das ist gar kein Vorwurf, ich scheue mich, seine Fragen zu beantworten.) Manchmal denke ich, ich sollte einfach zustimmen, dann hätte das Ganze schon ein Ende.  So bin ich aber nicht gestrickt. Noch dazu müsste ich dafür lügen; ich müsste meinem Therapeuten ins Gesicht lügen und das wäre ja nun wirklich selten dämlich.)

Jetzt, hier, scrolle ich durch meine Anrufliste, anstatt zu frühstücken. Ich starre an die Wand, anstatt zu frühstücken, versuche meinen Gedanken zuzuhören, aber nur sie spricht zu mir, spricht ihre Worte direkt in mein Ohr. Sie ist da, aber ich kann sie nicht mehr fühlen. Ich fühle sie nicht mehr.

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